Hinweis: Alle Formulierungen sind geschlechtsneutral zu verstehen!
Die Biodiversität auf der Erde nimmt ab, weil die Menschheitsgeschichte eine Reihe an Folgen nach sich zieht, die der Vielfalt anderer Lebewesen schadet. Die Texte dieser Rallye wurden von Anfang an so formuliert, als wäre diese Entwicklung ein gewaltiges Problem. Aber ist das wirklich so? Muss es uns interessieren, ob und wie schnell die Biodiversität auf unserem Planeten abnimmt? Und wenn ja, warum?
Eine erste Antwort darauf wurde bereits an einer früheren Station gegeben. Die Natur erbringt wichtige Leistungen – auch Ökosystemdienstleistungen genannt – die für uns Menschen lebensnotwendig sind. Intakte Ökosysteme tragen zur Regulierung des Klimas bei und stellen Nahrung, sauberes Wasser, Arzneimittel, Holz, Brennstoffe und vieles Weitere bereit. Je größer die Biodiversität, desto stärker werden diese Ökosystemdienstleistungen ausgeführt (siehe Station 4). Eine groß angelegte Studie, das sogenannte “Millennium Ecosystem Assessment”, stellte bereits im Jahr 2005 fest, dass sich 15 von 24 “Schlüssel-Ökosystemdienstleistungen” in einem Zustand der Degradation (also abnehmender Funktion) befinden (38). Nimmt die Biodiversität ab, sehen wir Menschen uns beispielsweise mit abnehmender Bestäubung von Pflanzen, einer abnehmenden Reinigung von Wasser oder weniger intensiven Naturerlebnissen konfrontiert. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Dass solche Ökosystemdienstleistungen erhalten werden sollten, sieht auch der US-amerikanische Journalist Alexander Pyron ein, der 2017 den aufsehenerregenden Artikel “We don’t need to save endangered species. Extinction is part of evolution” in der New York Times veröffentlichte. Pyron argumentiert, dass sich der Mensch als Teil der “Umwelt” verstehen müsse, diese demzufolge durchaus verändern dürfe und Arten nur dann geschützt werden sollten, wenn daraus ein direkter Vorteil gezogen werden kann (39). Schützenswert wäre demzufolge beispielsweise das “Madagaskar-Immergrün”, das in tropischen Gebieten verbreitet ist und zur Krebstherapie eingesetzt wird (40). Den ethischen Grundsatz, dass jedes Lebewesen auch ohne für uns nützliche Funktionen schützenswert sei, lehnt Pyron ab: Aussterbeereignisse seien “Teil des Laufes der Natur” und kein Grund zur Besorgnis.
Eine Reihe an Büchern aus dem 20. Jahrhundert argumentiert genau entgegengesetzt. Aldo Leopold behauptet in seinem 1949 erschienenen “Sand County Almanac”, dass eine menschliche Handlung genau dann richtig sei, wenn sie zur “Integrität, Stabilität und Schönheit der lebenden Umgebung” beitrage (41). Arne Naess ergänzt in seinem 1973 erschienenen Essay “The Shallow and the Deep”, dass die Natur für ihren intrinsischen Wert – also den Wert in sich selbst, auch ohne nützliche Funktionen für uns Menschen – anerkannt werden müsse (42). Menschliches Handeln habe jederzeit auf diesem Grundsatz aufzubauen.
Die sich widersprechenden Ansätze von Pyron und Leopold beziehungsweise Naess sind Thesen, die Meinungen und keine Naturgesetze darstellen. Auch in der Hofheimer Bibliothek sind Bücher mit verschiedensten Ansätzen und Theoremen zu finden. Was meint ihr? Sollte den in dieser Rallye beschriebenen Biodiversitätstrends (also dem aktuellen Rückgang der Artenvielfalt) entgegengewirkt werden? Und wenn ja, warum?
Alle verwendeten Quellen haben wir in folgendem, jederzeit öffentlich einsehbaren Dokument zusammengefasst: YOUTOPIA-Stadtrallye Quellen