Station 4: Nutzen von Biodiversität

Hinweis: Alle Formulierungen sind geschlechtsneutral zu verstehen!

Wie viele Arten derzeit tatsächlich auf der Erde leben, kann nur geschätzt werden – fest steht in jedem Fall, dass diese Vielfalt (Biodiversität) für uns Menschen von existenzieller Bedeutung ist. Die Gesamtheit der Lebewesen auf unserem Planeten übt eine Vielzahl an Funktionen aus, die einzelnen Lebewesen – und somit auch uns – nützen. Umschrieben wird dieser Fakt, dass die Menschheit von anderen Lebewesen abhängig ist und ohne sie nicht überleben könnte, durch das Konzept der “Ökosystemdienstleistungen”. Solche Dienstleistungen können als “Nutzen, den Menschen aus Ökosystemen ziehen” (17) oder “Prozesse, durch die natürliche Ökosysteme und die sie ergebenden Arten menschliches Leben ermöglichen und unterstützen” (18) definiert und in verschiedene Kategorien eingeteilt werden.

Die folgende Tabelle zeigt eine mögliche Aufteilung in drei Kategorien: Provisioning Services, also die direkte Bereitstellung von Gütern; Regulating Services, die Aufrechterhaltung von lebensermöglichenden Bedingungen, sowie Cultural Services, die als kulturell bedeutsame Funktionen zusammengefasst werden können. 

Ökosystemdienstleistungen können beispielhaft in drei Kategorien eingeteilt werden.

Überlege einmal kurz, welch vielfältigen Effekt beispielsweise die Bäume um dich herum haben: Sie erhöhen die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, reinigen die Luft, senken die Temperatur (was gerade an heißen Sommertagen sehr angenehm ist) und bieten einen Lebensraum für andere Tiere und Pflanzen!

Dass diese “Ökosystemdienstleistungen” unglaublich bedeutsam sind, kann auch ökonomisch ausgedrückt werden. Ein erstmals unternommener Versuch kam im Jahr 1997 zu dem Ergebnis, dass die gesamte Biosphäre jährlich Dienstleistungen im Wert von 16 bis 54 Trillionen US-Dollar (eine Zahl mit achtzehn Nullen!) erbringt (19). Die Bestäubung von Nutzpflanzen, die von Insekten vorgenommen wird, hat beispielsweise einen jährlichen Wert von 3,8 Milliarden Euro alleine in Deutschland (20), während sich amerikanische Landwirte im Jahr ganze 380 Milliarden Dollar durch die Aufräumarbeit von Mistkäfern sparen (21).

Entscheidend ist nun, dass die Ausführung dieser Ökosystemdienstleistungen eng mit der Biodiversität – also der Artenvielfalt in dem entsprechenden Ökosystem – zusammenhängt. Zahlreiche Untersuchungen aus den vergangenen Jahrzehnten legen nahe, dass Ökosystemdienstleistungen umso stärker ausgeführt werden, je höher die Biodiversität vor Ort ist (22-25). Bei einem Biodiversitätsrückgang wären demzufolge also die schwächere Ausführung von Provisioning, Regulating und Cultural Services die Folge. Sinkt die Anzahl und Vielfalt an Bäumen im Stadtgebiet, nehmen auch das Reinigen der Luft, das Senken der Temperatur sowie das Steigern der Aufenthaltsqualität ab.

Eine beispielhafte Studie konnte zeigen, dass 84 Prozent der 147 untersuchten Grünlandpflanzen in 17 verschiedenen Experimenten das “Funktionieren” mindestens einer Ökosystemdienstleistung erhöhen (23). Forschende aus China untersuchten, wie sich die Biodiversität in Wäldern auf deren Produktivität auswirkt – die Versuche an über 700.000 Stellen in 44 Ländern bewiesen eindeutig, dass sich Biodiversitätsverlust in einer deutlich niedrigeren Produktivität des Waldes niederschlägt (24). Und nicht zuletzt sind auch kulturelle Ökosystemdienstleistungen betroffen: Bei einer Studie in Südafrika gaben fast alle Befragten an, dass ihr Garten ihr “Gefühl der Verbundenheit mit Gott” verstärken und ihnen helfen würde, sich zu entspannen. Die Wertschätzung eines Gartens hing dabei signifikant mit dem Artenreichtum der Gehölze und der Größe der Anlage zusammen (25).

Umstritten ist in diesen Jahren bloß noch, wie genau Biodiversität und die Ausführung von Ökosystemdienstleistungen zusammenhängen. Erhöht sich das sogenannte “ecosystem functioning” immer gleich stark, wenn das Ökosystem um eine Art reicher wird? Studien kommen hier zu unterschiedlichen Schlüssen: Es können sowohl proportionale als auch deutlich komplexere Zusammenhänge nachgewiesen werden (26). Denkbar ist demzufolge insbesondere, dass die Ausführung einer Ökosystemdienstleistung bei einer Erhöhung der Artenvielfalt dann stärker zunimmt, wenn die bereits gegebene Artenvielfalt eher gering ist. Feststeht, dass zudem sogenannte “Schlüsselarten” im Spiel und für die Ausführung bestimmter Funktionen bestimmte Arten besonders wichtig sind. Stirbt diese eine Art aus, nimmt die Ausübung der Funktion stark ab.

Drei denkbare Zusammenhänge zwischen der Artenvielfalt eines Biotops (unten) und der Ausführung von Ökosystemdienstleistungen („ecosystem functioning“; links).

Alle verwendeten Quellen haben wir in folgendem, jederzeit öffentlich einsehbaren Dokument zusammengefasst: YOUTOPIA-Stadtrallye Quellen